Nach fünfzig Jahren kehrte Christina Klausch 2000 auf den Hof zurück, auf dem sie
geboren wurde und - löste ein Versprechen ein. Viel Courage brauchte es, um
zusammen mit ihrem Mann die Stange-Mühle im sächsischen Brößnitz zu
sanieren. Deren Geschichte geht bis ins 16. Jahrhundert zurück und erlebte in
jüngerer Zeit auch ein düsteres Kapitel deutscher Historie.
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Schmucke Details: Der weiße Besatz am Auszugshaus setzt sich harmonisch vom Gelb
der Fassade
ab. Die durchbrochenen Rosetten an der Scheunenfassade, neu gefertigt
von einem Dresdner Künstler, dienten der
Innenraumbelüftung.
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ie wirken ein wenig verloren, die beiden
Männer, die sich da am Dach zu schaffen machen, doch , ja. Mehrheitlich liegt das wohl an der Dimension des
Riesenanwesens, auf dem sie sich bewegen. Und die Zeiten, da ein halbes Dutzend Firmen der Bau- und
Sanierungsbranche sich zuhauf auf dem Vierseithof tummelten, sind ohnehin vorüber. Glücklicherweise.
Nach vier Jahren intensiver Arbeit, in denen man auch manch Sträußchen mit den Ämtern ausfechten mußte,
schmückt die Stange Mühle mit ihren in helles Sonnengelb getauchten Fassaden, auf denen sich weißer Besatz
kontrastreich abhebt, das winzige Brößnitz wie in älteren Zeiten.
Christina und Peter Klausch sind sich des kleinen Diamanten, den sie selbst wieder geschliffen haben, wohl bewußt. Mit geschwellter Brust laufen sie deswegen nicht herum, dazu hat das Ganze zuviel Kraft gekostet, und es ist auch ihre Art nicht. Ihren Stolz drücken sie auf andere Art und Weise aus. Peter Klausch beispielsweise weist den Fremdling auf manche kleine Kostbarkeit hin, die dieser, weil nicht eingeweiht, auf Anhieb nicht zu entdecken vermag.
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Die Geschichte des Gehöfts in Brößnitz, das sich in eine sanfte Senke der lieblichen Westlausitz kuschelt
und wohl immer Dorftmittelpunkt war, reicht bis in das 16. Jahrhundert zurück. Der erste Vorfahr, der die
Wassermühle urkundlich nachweisbar betrieb, war Bauer Hans Stange, den die Ortschronik 1721 erwähnt.
Er belieferte gar den sächsischen Hof. Die jüngere Historie des Anwesens, mit seinen 3 Hektar ansehlich
dimensioniert, weil nie durch Erbteilung geschmälert, blättert ein düsteres Kapitel auf.
Christina Klauschs Vater, Müller Konrad Stange, ereilte 1952 ein Schicksal, das viele andere mit ihm teilten,
deren Anwesen, durch Fleiß wie Können erworbene wirtschaftliche Größe den seinerzeit regierenden ins Auge
stachen: Er wurde der Wirtschaftsabotage angeklagt, weil er sein Soll nicht erfüllen konnte, und enteignet.
Ein Jahr verbrachte er hinter den Gefängnismauern des berüchtigten "Gelben Elends" in Bautzen, bevor die
Familie, nunmehr ohne Hof und Zuhause, aus Angst vor weiteren Repressalien die Heimat, das über Jahrhunderte
geführte Anwesen in Richtung Westdeutschland verließ. Der Erbin der rechtmäßigen Besitzer, Christina Klausch, wurde der Hof vor vier Jahren zurückübereignet. Aus Nordrhein- Westfalen ins Sächsische zurückgekehrt, fand sie ihn nach eigener Schilderung "bis aufs Letzte heruntergewirtschaftet". Massen an Müll hatte man über die Jahre hier einfach aufgeschüttet. Mehrere Monate dauerte es, bis er abgefahren war, wobei Peter Klausch, Bauingenieur wie seine Frau, unzählige Stunden selbst Kran und Bagger steuerte. |
Doch um den Zustand der Gebäude - des Wohnhauses: die Dachbalken herausgerissen, der Scheune: halb eingefallen, der Feldsteinstützmauern zur Straße hin: zusammengestürzt - zu beschreiben, reichen Peter Klausch kaum Worte und Gesten. Doch ist seine erste Reaktion beim Anblick der geschundenen Mühle unschwer nachzuvollziehen: "Ich habe mich auf dem Absatz umgedreht. Sanieren - nicht mit mir!" Lange dürfte es nicht gedauert haben, bis er seinen Entschluß revidierte. Nicht die baulich-architektonische Herausforderung, da sind wir uns ziemlich sicher, sondern die berühmte Geschichte des Hofes, das Schicksal seines Schwiedervaters, den er nie kennenlernte, dürften ihn dazu bewogen haben. Ja, sagt Peter Klausch, und dreht sich für einen kurzen Moment weg, seine Frau habe das Pflaster auf dem Hof gestreichelt, als sie das erste mal wieder hier gewesen sind. Auf dem Sterbebett hatte sie ihrer Mutter versprochen, das Erbe hochzuhalten, es weiterzuführen, soweit es ihre Kräfte vermögen.
Den 1. April 2000 verzeichnet denn also die (noch nicht geschriebene) Chronik der Stange-Mühle der Neuzeit als Datum des Baubeginns. Das Mühlengebäude, in dem die beiden Mutigen heute wohnen, und das sogenannte Auszugshaus, einst für das Altbauernpaar bestimmt, legen die Klauschs zuallerst in die Hände von ortsansässigen und - auch darauf bestehen sie - ausgewiesen in hoher Qualität arbeitenden Firmen. Die weiße Stuckverzierung des denkmalgeschützten Ausgedinges stammt noch original von 1905, seinem Entstehungsjahr. Inzwischen sind der riesige, zweigeschossige Scheunentrakt, den man mit vollbeladenen Getreidewagen befahren konnte, und die Stallgebäude weitgehend wieder hergestellt. Der Innenausbau schreitet tagtäglich fort. Während die Rosen am Eingang zum Grundstück blühen, als wollen auch sie die Klauschs für ihre Kraft und Standfestigkeit belohnen.
![]() Genau! Nach Geist und Buchstaben der Gesetze allerdings riskiert der Bauherr, kommt es hart auf hart, eine Streichung beziehungsweise Teilrückzahlung von Fördermitteln. So sind die Tatsachen. Auch die Metalleindeckung des Scheunendachs der Stange-Mühle ist an sich nicht förderfähig, weil nicht ortstypisch, da für Hochlagen charakteristisch. So etwas werde nur ausnahmsweise toleriert, erläutert Kuschnig. Alles in allem jedoch wertet er die Stange-Mühle als ein gelungenes Objekt, das im übrigen als eines von 56 anderen im sächsischen Landeswettbewerb "Ländliches Bauen - Erhalten - Pflegen - Gestalten" 2003 ausgezeichnet wurde. |
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Sachverstand und Feeling: Peter Klausch, Bauingenieur im Ruhestand.
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Was künftig in der Mühle geschehen soll, darüber sind sich die Klauschs derzeit noch nicht ganz einig, loten Spielräume aus. (Wer heutzutage in Sachsen allerdings einen Förderbescheid für eine ähnlich umfassende Außensanierung wie hier ergattern will, muß bereits konkrete Vorstellungen für die Nachnutzung vorlegen.) An die Variante Ferienwohnungen denkt das Ehepaar zuletzt. Denn weil das Anwesen so etwas wie einen Leuchturm in der Ödnis dargestellt, ist auch eine Vernetzung beispielsweise mit einem Reiterhof oder sonstigen landtouristischen Angeboten nicht möglich. Überdies will man weder Trubel noch einen wesentlich höheren Geräuschpegel auf dem Hof holen.
Peter Klausch, ganz Techniker, favorisiert eine Mühlen-Schaunanlage. Immerhin ist die Turbine noch vorhanden, mit der man auch wieder Strom erzeugen könnte. Der Mühlenteich, vorausgesetzt, man befreit ihn vom Schlamm, der sich über die Jahrzehnte zweieinhalb Meter über dem Grund aufgetürmt hat, ließe sich überdies wie früher mit Karpfen besetzen. Dort könnte dann ein kleiner Naturlehrpfad beginnen oder...
gemach. Irgendwie wünscht man den Klauschs noch ein bißchen Raum zum ganz privaten Genuß ihres Werkes, das weithin seine Meister lobt, aber auch zur Besinnung. Vielleicht macht so ein Gefühl ja nur der Hauch Sentimentalität, der auf jedem Hochsommertag liegt.
JUTTA HEISE
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Frische Erinnerung: Die Stange-Mühle, wie sie sich noch vor drei Jahren präsentierte.
(Foto: Privat)
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Neuer Glanz: Das alte, verjüngte Anwesen: ein kleiner Diamant im winzigen Brößnitz.
(Foto: Sabine Rübensaat)
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